Text und Bilder. Streutal-Journal / Carmen Hahner
Hat das Sportbad in Mellrichstadt eine Zukunft? Ohne eine Generalsanierung sicherlich nicht. Doch wer soll die bezahlen? Schätzungsweise 10 bis 12 Millionen Euro müsste die Stadt mittlerweile in Hand nehmen, um die 1975 eingeweihte Anlage langfristig erhalten zu können. Eine schwindelerregend hohe Summe, die für eine Stadt in der Größenordnung wie Mellrichstadt unmöglich alleine zu stemmen ist.
„Ich wäre dankbar für Hilfe aus Berlin!“ Am Freitag nutzte Bürgermeister Eberhard Streit die Gunst der Stunde, um einen Hilferuf an den Thüringer SPD-Bundestagsabgeordneten Carsten Schneider aus Erfurt zu richten. Dieser war auf Einladung des SPD-Kreisverbandes zum Politischen Ascherfreitag in den Landkreis Rhön-Grabfeld gekommen. Vor der Abendveranstaltung in Bad Königshofen unternahmen seine Parteifreunde mit dem Ehrengast eine Besichtigungstour durch den Landkreis. Die erste Station war das Mellrichstädter Sportbad.
Bei der Begrüßung der Gäste, unter ihnen auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Dittmar, SPD-Landratskandidat Thorsten Raschert, SPD-Kreisvorsitzender René van Eckert, der SPD-Fraktionsvorsitzende im Kreistag Egon Friedel, SPD-Bürgermeisterkandidat Wolfgang Stahl sowie weitere Stadtrats- und Kreistagskandidaten, fand Eberhard Streit deutliche Worte: „Das Schwimmbad ist aus Mellrichstadt nicht wegzudenken und der gesamte Stadtrat steht geschlossen dahinter, das Bad aus den 70er-Jahren zu erhalten. Doch alleine schaffen wir es nicht!“
Eberhard Streit erläuterte MdB Carsten Schneider, dass das Hallenfreibad Mellrichstadt ein Alleinstellungsmerkmal in der gesamten Region besitzt. Schließlich bietet dieses – im Gegensatz zu Spaßbädern und Thermen – der Bevölkerung in jedem Alter die Möglichkeit, noch richtig zu schwimmen. Drinnen 25 Meter am Stück, draußen sogar 50 Meter am Stück. An heißen Sommertagen strömen täglich bis zu 1.200 Besucher – darunter auch viele aus dem Nachbarland Thüringen – nach Mellrichstadt, um hier ihre Freizeit zu verbringen.
Daneben dient das Hallenbad als Unterrichtsort für das Schulschwimmen sowohl für die Grundschule als auch die drei weiterführenden Schulen vor Ort, die von Kindern und Jugendlichen aus dem gesamten Streutal besucht werden. Aber auch aus Wollbach oder Heustreu werden Schüler in Bussen zum Schwimmunterricht nach Mellrichstadt gefahren. „An den Vormittag sind wir mit Schulklassen gut ausgelastet“, bestätigte Bademeister Wolfgang Fritz. Längst ist die Bedeutung der Schwimmfähigkeit auch in der öffentlichen Diskussion angekommen.
Immer weniger Kinder können sicher schwimmen, bestätigte SPD-Kreisrat Matthias Kihn, der Lehrer an einer Mittelschule ist. Früher sahen sich die Eltern in der Pflicht, ihren Kindern das Schwimmen beizubringen, heute wird diese Verantwortung größtenteils an die Schulen abgewälzt. Ein Riesenproblem. Das sich weiter verschärfen dürfte, wenn die Grund- und weiterführenden Schulen keine Möglichkeit mehr haben, den fest im Lehrplan verankerten Schwimmunterricht auch zu erteilen. „Immer weniger Kinder können schwimmen, weil sich die Kommunen keine Bäder mehr leisten können. Da muss der Staat einfach helfen“, machte Streit deutlich.
Zudem dient das Sportbad Mellrichstadt auch als Training- und Wettkampfstätte für Vereine wie die Wasserwachten aus Mellrichstadt und Wülfershausen, die regelmäßig bei Bayerischen und Deutschen Meisterschaften ganz vorne mitschwimmen und auf deren Erfolge man stolz sein darf. Eine Schließung würde nicht zuletzt auch am „Bürgerstolz“ der Mellrichstädter kratzen: „Das würde in der Bevölkerung zu massiven Protesten führen.“
MdB Carsten Schneider hatte diesem eindringlichen Plädoyer aufmerksam gelauscht und versicherte, dass er ein „großer Fan“ sei von Schwimmbädern, „wo man noch das Schwimmen lernen kann“. Gespannt folgte er Bürgermeister Eberhard Streit und Bademeister Wolfgang Fritz, der nun die Regie übernahm, zu einem Rundgang durch das Bad, um akute Problemstellen unter die Lupe zu nehmen. Streit warnte ihn vor: „Spätestens im Technikraum werden Sie sich fühlen wie im Deutschen Museum!“
Schnell wurde der Besucherdelegation eines klar: Alleine dem Herzblut und Engagement des Betriebsleiters Wolfgang Fritz, der die Anlage seit 1991 hauptverantwortlich betreut, ist es zu verdanken, dass der Badebetrieb überhaupt noch läuft. Ohne sein „Insider-Wissen“ um die Technik der 1975 eingeweihten Anlage, wären im Sportbad schon längst die Lichter ausgegangen. Mit viel handwerklichem Geschick hat er z. B. dafür gesorgt, dass in der Damen-Sammelumkleide eine Notbeleuchtung brennt und die Duschen funktionieren. Das Problem: Für viele Baustellen, die sich auftun, gibt es längst keine Ersatzteile mehr. Ausbessern und Instandhalten lautet die Devise. SPD-Landratskandidat Thorsten Raschert meinte: „Sie haben uns ein Sportbad versprochen. Beim Blick hinter die Kulissen entpuppt sich dieses jedoch als Abenteuerbad“.
In der Schwimmhalle angekommen, richtete man den Blick zunächst in Richtung Decke. Nicht nur der Zahn der Zeit, sondern auch die Chloride, die sich in den Beton fressen, machen der Bausubstanz zu schaffen – ein schleichender Prozess. Durch den Einbau einer Holzkonstruktion wird die Traglast seit 2008 ständig überwacht, gleiches gilt auch für die Betonsäulen in der Halle. Trotz alledem besitzt die Schwimmhalle aus den 70er-Jahren einen gewissen Charme.
Durch den Saunabereich ging es schließlich in den Technikraum, wo das „prähistorische“ Equipment bei der Besucherdelegation für ungläubiges Kopfschütteln sorgte. Die Armaturen, Schalter und Hebel aus den 70er-Jahren erfüllen zwar noch ihren Zweck, sind aber längst nicht mehr zeitgemäß und fordern vom Betriebsleiter Wolfgang Fritz vor allem eines: Improvisationstalent.
Damit waren Rundgang und Lagefeststellung abgeschlossen und allen Besuchern unmissverständlich klar, dass man eine großangelegte Sanierung des Bads nicht mehr viel länger auf die lange Bank schieben kann. „Wie lange noch?“ wollte SPD-Landratskandidat Thorsten Raschert wissen. Eberhard Streit: „Spätestens, wenn Wolfgang Fritz in ein paar Jahren in Rente geht, ist hier Schluss. Denn er ist seit 1991 in die Technik reingewachsen und eigentlich nicht zu ersetzen.“
Mit der dringenden Bitte, das Thema „Schwimmbad Mellrichstadt“ mit nach Berlin zu nehmen, wandten sich die Stadtoberen abschließend noch einmal an MdB Carsten Schneider. Von den geschätzten Kosten von 10 bis 12 Millionen für die Generalsanierung wäre die Stadt durchaus bereit, ihren Obolus zu leisten. Streit machte den SPD-Bundestagsabgeordneten mit den Eckdaten des Haushalts vertraut und ließ ihn wissen, dass ein Eigenanteil von ca. 3 Millionen für die Stadt „noch okay“ wäre, ebenso wie die laufenden Betriebskosten von jährlich ca. 250.000 Euro. Für den Rest müssten jedoch Fördertöpfe aufgehen, die den Namen auch verdienen. Der Freistaat Bayern hat zwar das neue Förderprogramm SPSF aufgelegt, um Kommunen bei der Sanierung ihrer Schwimmbäder zu helfen. Förderfähig sind aber nur die Becken, die sich zum Schwimmen eignen, Umkleiden und Technik. Was die komplette Bausubstanz angeht, wäre der Stadt mit diesem Förderprogramm also nur wenig geholfen.
Für MdB Carsten Schneider könnte die Generalsanierung, mit der die Stadt Mellrichstadt heillos überfordert ist, durchaus ein Fall für finanzielle Hilfe durch den Bund sein. „Ich kann Ihnen nichts versprechen“, meinte der SPD-Bundestagsabgeordnete, doch können in Einzelfällen finanzschwache Kommunen im Rahmen des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes auf Finanzhilfen des Bundes hoffen. Sichtlich beeindruckt zeigte sich der Politiker von den Gegebenheiten, mit denen er gerade konfrontiert worden war: „Sie haben hier ein beeindruckendes Bauwerk und einen Betriebsleiter, der beeindruckende Arbeit leistet.“ Daraufhin konterte Eberhard Streit schmunzelnd: „Wenn Sie in Berlin ein Projektbad brauchen, stellen wir uns für eine 110-prozentige Förderung gerne zur Verfügung!“
Als MdB Carsten Schneider und seine SPD-Parteifreunde schließlich aufbrachen, um die Landkreis-Tour über Bastheim (Dorfladen) bis nach Bad Königshofen fortzusetzen, blieb in Mellrichstadt zumindest die Hoffnung zurück, dass man mit seinen Sorgen und Nöten auf offene Ohren gestoßen war. Denn die Zeiger der Uhr stehen auf „5 vor 12“ – eine solche symbolträchtige Uhr ist übrigens tatsächlich im Technikbereich des Sportbades zu finden. Deren Zeiger stehen zwar still, doch vielleicht gerät ja nun doch Bewegung in die Sache. Schließlich geht es darum, dem Bewegungsmangel unserer Kinder, der in aller Munde ist, aktiv entgegen zu wirken.